Trendgineering
Erfolgreicher Türöffner
| Petra Rehmet
SpinForm-Maschine fertigt 20-millionstes Türschlossgehäuse
Es gibt sie noch die Dauerläuferprojekte – vor allem dann, wenn Nicht-Sichtteile in mehreren Fahrzeug-Modellen verbaut werden. Der Automobil-Spezialist SuK Kunststofftechnik GmbH produziert seit 2011 pro Woche 50.000 Türschlossgehäuse für PSA. Seither laufen im Dreischichtbetrieb eine SpinForm-Wendeplatten-Maschine von KraussMaffei und das dazugehörige Werkzeug.
Man denkt selten darüber nach, was in einer Autotür steckt, schließlich sieht man von beiden Seiten schönes Design. Doch damit der Schließmechanismus dauerhaft funktioniert, muss er ein stabiles und dichtes Gehäuse haben: zum Beispiel aus PP und TPE. Die SuK Kunststofftechnik GmbH in Kierspe hat sich auf Mehrkomponenten-Anwendungen wie diese spezialisiert und liefert als Systemanbieter das Komplettpaket von der Konstruktion bis zum fertigen Bauteil. Dazu Geschäftsführer Sven Wieland: „85 Prozent unserer Artikel gehen in die Automobilindustrie, ein weiteres Standbein ist die Elektro-/Haushaltsgerätebranche, für die wir auch Sichtteile herstellen. Auf diese Weise erwirtschaften wir 2018 mit 110 Mitarbeitern einen Umsatz von jährlich rund 25,5 Millionen Euro und verarbeiten dabei ca. 2.900 t Kunststoffe.“
Wöchentlich 50.000 Türschlossgehäuse
Daran hat ein Marathon-Projekt seinen Anteil: Vom Türschlossgehäuse für PSA laufen seit acht Jahren ohne Unterbrechung wöchentlich 50.000 Stück vom Band – bislang rund 20 Millionen. Rechtslenker, Linkslenker, vorne, hinten, mit und ohne Kindersicherung: Zwei identische 4+4-Werkzeuge mit Wechseleinsätzen fertigen insgesamt zehn Varianten. Die Gehäusefarbe in grau, weiß oder schwarz bezeichnet die Funktion des Schlosses. Die angespritzte Dichtung aus TPE mit etwa 1g Gewicht erfordert eine hohe Spritzgenauigkeit, die das Inline-Spritzaggregat durch die direkte und zentrale Kraftübertragung auf die Schnecke ohne seitlich angebrachte Zylinder im Standard bereits gewährt. Die Dichtung haftet auf dem Grundträger aus 34 g glasfaserverstärktem PP (GF 20). Sie voll auszuspritzen, bildete die größte Herausforderung des Projektes.
Bei einer Direktanspritzung hätte der Angusspunkt die Dichtfunktion beeinträchtigt, so dass man sich für einen Kaltkanalunterverteiler entschied. Der lange Fließweg wurde über eine 2-fach-Anspritzung abgedeckt. Hinzu kommen pro Gehäuse zwei Anschlagpuffer für den Türhebel aus TPE mit Direktanspritzung. Bei vier Kavitäten ergibt sich so insgesamt eine 16-fach-Kaskade.
All das vollzieht sich in einem Etagen-Wendeplatten-Werkzeug, das auf einer CX 300-SpinForm-Maschine von KraussMaffei läuft. Dabei stehen sich die Spritzaggregate in der Maschinenachse gegenüber und dazwischen befindet sich die Wendeeinheit mit einer Mittelplatte, die Medienanschlüsse für Öl und Wasser sowie seitlich angebrachte Auswerferzylinder enthält.
Zur gleichen Zeit spritzt das Hauptaggregat auf der festen Seite den Gehäusekörper und wird auf der beweglichen Seite das zuletzt gefertigte Gehäuse mit seiner Dichtung versehen. Da TPE kompressibel ist, erweist es sich von besonderem Vorteil, dass man auch beim Neben-Spritzaggregat kurze Schmelzewege ohne Umlenkungen hat. Das kann nur mit einer Zweiplattenmaschine ohne Kniehebel realisiert werden, denn hier befindet sich das 2.Spritzaggregat, genau wie das erste Aggregat, direkt hinter der Werkzeugaufspannplatte. Die 180°-Drehung der Wendeeinheit erfolgt standardgemäß servo-elektrisch, was eine hohe Positionsgenauigkeit bei optimaler Dynamik bei geringstem Energieaufwand bedeutet. Eine elektrisch betriebene Drehung kann bis zu 25% weniger Energiebedarf für die Gesamtmaschine nach sich ziehen.
Hoher Automatisierungsgrad von fast 100 Prozent
Bei der 180°-Drehung macht das Werkzeug kurz bei 90° Rast, um aus der Seite das fertige Bauteil entnehmen zu lassen. Durch diesen Kniff müssen die Trennebenen nicht so weit aufgefahren werden und es braucht kein zusätzliches Drehen und Klappen des Greifers. Hierzu ist eine durchtaktende Drehung in eine Richtung erforderlich, das eine Drehdurchführung erforderlich macht. Ein Roboter knippst dann über einem Abfallbehälter den Anguss mit Kaltkanalunterverteiler ab und führt das Bauteil der 100-Prozent-Kontrolle zu. Hier prüfen Kameras die Maße der Hartkomponente und die Geometrie der Dichtung. Letztere muss sehr präzise ausgeführt sein, damit das Gehäuse später zuverlässig funktioniert. Beim niedrigviskosen TPE ist vor allem auf eine unerwünschte Gratbildung an der Werkzeug-Trennebene zu achten.
Der hohe Automationsgrad von fast 100 Prozent hilft SuK im Wettbewerb mit Anbietern aus Niedriglohnländern und man beliefert von Kierspe aus europäische OEMs sowie Tier1- und Tier2-Unternehmen. Des Weiteren gibt es ein Werk in Rumänien, das auf Wunsch eines großen Kunden entstand und von diesem mit Aufträgen versorgt wird.
Auf Wachstum ausgerichtet
Das kontinuierliche Wachstum von SuK begann mit Martin Witulski, der das 1973 als Schütrumpf & Kückelhaus gegründete Unternehmen im Jahr 2007 übernahm – damals noch mit 20 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zwei Millionen Euro. Nur sieben Jahre später war die Beschäftigtenzahl auf 110 angewachsen und der Umsatz hatte sich auf 17 Millionen Euro vervielfacht. Im Jahr 2014 wurde das Unternehmen an die Luxshare Precision Industrie Gruppe verkauft. Seit 2017 leitet Sven Wieland als Geschäftsführer das Unternehmen.
Entscheidend für den Erfolg war die Strategie, seinen Kunden alles aus einer Hand zu liefern. Vor allem im Mehrkomponentenbereich und bei Spezialanwendungen wie Metallumspritzen hat man sich so einen Namen gemacht. Auch das physikalische Schäumen gehört dazu, und hier findet man in Kierspe einen echten Pionier. Martin Witulski führte, damals noch in anderer Funktion, als erster das MuCell-Verfahren von Trexel in Europa ein – ebenfalls auf einer KraussMaffei-Maschine.
Die Fertigungstiefe bei SuK reicht von der Konstruktion und dem eigenen Werkzeugbau (spezialisiert auf Silikon- und Prototypenformen, Finetuning, Service und Umbau), die Teilefertigung und -veredelung bis zur Baugruppenmontage.
Da der Fachkräftemangel auch im Sauerland nicht ausbleibt, setzt man darauf, bewährte Mitarbeiter zu halten und versucht bei den Schichtmodellen auf familiäre und gesundheitliche Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen. Schulungsangebote eröffnen Aufstiegschancen, und es ist ein gutes Zeichen für die Verbundenheit der Mitarbeiter, dass viele Fachkräfte, die im Unternehmen gelernt haben, heute in führenden Positionen tätig sind.
Mit diesem eingespielten Team ist es auch möglich, neue Fertigungsbereiche zu erobern wie die Integration von Elektronik ins Bauteil. Werden Leiterbahnen, Widerstände und Schalter umspritzt, erhalten Designer viel größere Freiheiten, beispielsweise die Ambiente-Beleuchtung im Autoinnenraum zu gestalten. Das SuK-Team versteht sich auf die automatisierte Herstellung solch komplexer Elektronikkomponenten – und wenn man schon dabei ist, kann man ja gleich darüber nachdenken, was sich mit der Verbindung von Metall, Kunststoff und Strom noch anfangen lässt.
Nicht stylish, aber für den Endverbraucher unverzichtbar ist etwa die Konfektionierung von Kabeln, also das Anbringen von Steckerelementen an einem Stück Leitung. SuK hat sich hier viel Spezialwissen erarbeitet und fertigt die Metallteile des Steckers als Stanzgitter, die zunächst vorgestanzt und vorgebogen werden. Erst im Spritzgießwerkzeug erfolgen dann die endgültige Formgebung und das Verbinden von Metall und Kabel durch einen gespritzten Stecker. Aktivitäten wie diese helfen, beim Branchenmix breiter aufgestellt zu sein und kommen dem Drang des Unternehmens, sich immer weiterzuentwickeln, entgegen.
Darin begegnet man sich auch mit KraussMaffei, dem umfassendsten Hersteller von Maschinen für Kunststoffverarbeitung.
So wie man gemeinsam das erfolgreiche Millionen-Konzept für die Türschlossfertigung entwickelte, werden in Zukunft sicher weitere anspruchsvolle Projekte folgen.
Kontakt
andreas.handschke@kraussmaffei.com
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