Trendgineering
Hochpräzise Spritzgießverfahren für Inhalatoren
| Petra Rehmet
Komplexe Mechanik stellt hohe Ansprüche an die Technologie
Sie sind klein und passen oft in jede Hosentasche. Inhalatoren, die Asthmapatienten und anderen chronisch Erkrankten das Leben leichter machen, verfügen oft über eine komplexe Mechanik im Inneren. Für die Fertigung dieser filigranen Bauteile ist ein besonders hohes Maß an Präzision und Gratfreiheit im Spritzgießprozess erforderlich, die KraussMaffei bereitstellt. Thomas Hörl, Teamlead Expert Sales Medical bei KraussMaffei, und Joachim Köbelin, Expert Medical Technology, erzählen im Interview mehr über die besonderen Herausforderungen der medizintechnischen Fertigung.
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Inhalatoren gibt es in unterschiedlichsten Formen und Funktionen am Markt. Wie kann man sie am Besten unterscheiden?
Joachim Köbelin
Grundsätzlich differenziert man bei Inhalatoren in vier verschiedene Typen: Dosieraerosole, Pulverinhalatoren, Soft-Inhaler oder Sprühvernebler sowie Vernebler als elektrische Inhaliergeräte. Jedes System hat seine spezifischen Vor- und Nachteile und wird je nach Medikation und auch Patientenfitness verschrieben. Dosieraerosole beispielsweise sind kompakt, leicht mitzuführen und ohne spezielle Vorbereitung einsetzbar. Sie ermöglichen eine hohe und konstante Freisetzung der gewünschten Dosis, unabhängig von der Atemleistung der Inhalierenden. Das ist ein Vorteil.
Die Inhalationsdauer ist kurz. Jedoch erfordert das langsame Einatmen und gleichzeitige Auslösen des Sprühstoßes eine gewisse Koordination, die nicht jedem Patienten leichtfällt. Zudem sollte das Device vor jedem Auslösen geschüttelt werden, um Fehldosierungen infolge von Sedimentation der Wirkstoffpartikel zu vermeiden.
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Dosieraerosole werden oft mit Treibgas betrieben. Das hört sich nicht unbedingt umweltfreundlich an. Gibt es Alternativen?
Thomas Hörl
Die sogenannten Pulverinhalatoren arbeiten ohne Treibgas. Sie sind Atemzug-getriggert, sodass im Vergleich zum Dosieraerosol nur eine geringe Koordination durch den Patienten notwendig ist. Allerdings ist die Abgabe der Dosis direkt vom inspiratorischen Atemfluss abhängig, sprich gefordert ist eine Atemleistung von 30l/min. Das ist eventuell problematisch bei akuter Atemnot, bei schwerer Erkrankung oder für Kleinkinder
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Wie funktionieren diese Pulverinhalatoren genau?
Joachim Köbelin
Typisches Beispiel für einen Pulverinhalator ist der sogenannte Diskus®, entwickelt von Gregor Anderson, Leiter der Device Technology Group (DTG) bei GlaxoSmithKline. Der Diskus® wird schon seit über 20 Jahren erfolgreich auf KraussMaffei Maschinen produziert. Er besteht aus einem zweiteiligen Gehäuse aus PP, einem Mundstück und einem Hebel. Im Inneren befindet sich eine ausgeklügelte Mechanik, die aus zahlreichen filigranen, hochfunktionalen im Spritzguss hergestellten Komponenten besteht. Für uns als Anbieter kompletter Spritzgießlösungen natürlich eine besonders spannende Aufgabe.
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Worauf kommt es beim Spritzgießprozess besonders an? Gibt es Komponenten des Pulverinhalators, die besonders viel leisten müssen?
Thomas Hörl
Alle Komponenten werden auf einzelnen Spritzgießmaschinen gefertigt und im Anschluss montiert. Gefordert sind vor allem eine hohe Präzision, die strenge Einhaltung der Toleranzen sowie absolute Gratfreiheit. Die Spritzgießproduktion erfolgt in der Regel unter Reinraumbedingungen der Klasse 8 oder höher. Auch hier hat KraussMaffei langjährige Erfahrung und bereits vor zwei Jahrzehnten Produktionszellen für Impfstoffbehälter unter der Reinraumklasse 5 gemäß DIN EN ISO 14644 (bzw. GMP Klasse A) umgesetzt.
"Die Fertigung der einzelnen Komponenten des Pulverinhalators erfordert eine hohe Präzision, strenge Einhaltung der Toleranzen sowie absolute Gratfreiheit."Thomas Hörl, Head of Expert Sales & KeyAccount Management MEDICAL
Zwei Komponenten beim Diskus®, die zum Beispiel viel leisten müssen, sind der sogenannte Drug Exit Port und das Mundstück. Beides sind hochpräzise Bauteile. Wichtig ist, dass das Pulver trocken bleibt und bestmöglich zerstäubt wird. Die Bohrung des Drug-Exit-Ports ist wie ein Kreuz – die Anforderungen an Gradfreiheit, Präzision und Toleranzen sind hier enorm. Undenkbar, dass bei einer Komponente, die in direktem Kontakt zum Mund des Patienten kommt, irgendeine Partikelbildung oder Verunreinigung durch Abrieb bei der Entformung entsteht und eingeatmet wird.
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Welche Spritzgießmaschinen eigenen sich für die Produktion – hydraulisch oder vollelektrisch?
Thomas Hörl
Im Grunde genommen beide also die hydraulische CX-Baureihe bzw. GX-Baureihe aber auch die vollelektrische PX-Baureihe von KraussMaffei. In letzter Zeit werden aufgrund des geringeren Energieverbrauchs, der geringeren Wärmeemission in den Reinraum oder auch aufgrund der reduzierten Lärmbelästigung vorwiegend vollelektrische Maschinen eingesetzt. Je nach Stückzahl und Größe der Bauteile variiert die Zahl der Kavitäten zwischen 8, 16, 32 oder auch 48. Zum Einsatz kommen Einfach- aber auch Mehrfachwerkzeuge wie beispielsweise Etagenwerkzeuge auf unserer TwinForm GX Maschine mit zwei Einspritzeinheiten.
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Sie sprachen das Thema Qualitätssicherung an. Wie wichtig ist dabei die Vernetzung beispielsweise von Spritzgießmaschine, Automation oder auch Peripherie?
Joachim Köbelin
Eine Qualitätskontrolle und lückenlose Dokumentation sind essentiell. Im Rahmen der Prozess- und Toleranzüberwachung geschieht das bereits an der Spritzgießmaschine und sichert im Rahmen der strengen Validierungsphase eine hohe Reproduzierbarkeit.
Wenn Spritzgießmaschine, Automation und auch die Peripherie, beispielsweise Temperiergeräte und Heißkanalregler, in nur eine Steuerung eingebunden sind, ist das ganz klar von Vorteil. Das leisten KraussMaffei zuverlässig und sicher mit der Steuerung MC6, das können nicht viele am Markt. Also einen Datensatz mit allen qualitätsrelevanten Funktionen und Parametern – vom Anfahrprozess über Toleranzüberwachung sämtlicher eingebundener Systeme bis hin zur Ablage der Gutteile in der Verpackungsbox sowie Ausschleusen von Anfahrteilen oder Schlechtteilen.
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Blicken wir in die Zukunft. Wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial bei Inhalatoren?
Thomas Hörl
Die Welt verändert sich. Umweltverschmutzung, Smog, zunehmende Allergien und dadurch ausgelöste Erkrankungen der Atemwege oder auch die noch nicht absehbaren Langzeitfolgen von Covid-19 werden unsere Gesundheitssysteme leider vor weitere Herausforderungen stellen. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Inhalatoren in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Studien zeigen Wachstumsraten in Höhe von sieben Prozent und mehr. Als erfahrener Systemlieferant aus Spritzgießtechnologie, Automation und digitalen Lösungen sind wir hier hervorragend aufgestellt und bieten unseren Kunden einen klaren Mehrwert.
Kontakt
thomas.hoerl@kraussmaffei.com