Trendgineering
Leicht und rostfrei: Blattfedern aus Composites
| Petra Rehmet
Philipp Zimmermann und Tobias Fürst im Interview
Sie sparen Platz und Gewicht und können sogar bei starker Salzstreuung nicht korrodieren: Blattfedern aus faserverstärkten Kunststoffen erobern die Automobilbranche. Philipp Zimmermann, Leiter BU Composites/Surfaces bei KraussMaffei, und Tobias Fürst, Executive Vice President bei Schmidt und Heinzmann, erklären die Herstellungsweise und Vorzüge.
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Wenn man eine Composites-Blattfeder mit der Ausführung aus Stahl vergleicht, was sind die größten Unterschiede?
Zimmermann:
Am auffälligsten ist sicherlich der Gewichtsunterschied. Bei unserem Demonstrator von der K 2019, der sich von der Geometrie an einer Mittelklasse Limousine orientiert, wiegt das Bauteil nur 2,2 Kilogramm. Eine ähnliche Variante aus Stahl wiegt mehr als doppelt so viel.
Fürst:
Noch deutlicher wird die Gewichtseinsparung bei schweren LKWs, in denen Blattfedern am häufigsten zum Einsatz kommen. Ein Beispiel der DEKRA vergleicht ein Stahlfederpaket mit rund 70 kg und eine Composite-Ausführung mit nur 35 kg Komponentengewicht. Bei fünf Achsen und insgesamt zehn Federn ergibt sich laut DEKRA ein Potential von nahezu 400 Kilogramm. Das ist freie Masse, die entweder für zusätzliche Ladung zur Verfügung steht oder eben eine Einsparung beim Kraftstoffverbrauch bewirkt.
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Wie muss ich mir denn so eine Blattfeder vorstellen?
Zimmermann:
Jede Art von Feder ist in der Lage sich elastisch zu verformen und dadurch Energie aufzunehmen. Bei Blattfedern geschieht dies durch einzelne Lagen, die in zum Rad hin mit wachsender Länge übereinander angeordnet sind, was im Verbund diese Elastizität bewirkt. Die Frequenz der Blattfeder bestimmt dabei die Performance von sportlich bis komfortabel. Blattfedern sind sehr robust und kommen immer stärker auch im SUV/ Kleintransporter-Bereich vor. Blattfedern aus Composites ermöglichen hier ganz neue Chassis-Konzepte.
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Ist es leicht eine solche Composites-Feder herzustellen?
Fürst:
Es beginnt mit der sogenannten Multi-Preform, die aus spezifisch zugeschnittenen und anschließend gestapelten Einzellagen eines Glasfasertextils hergestellt wird. Der Stapel wird gemäß der gewünschten Geometrie geformt und in einem beheizten Werkzeug konturfixiert. Aus der Multi-Preform, die hinsichtlich der Verschnittreduzierung idealerweise so breit ist wie das eingesetzte Faserhalbzeug, lassen sich per Ultraschall die einzelnen, immer nur wenige Zentimeter breiten, Blattfeder-Preforms herausschneiden.
Zimmermann:
Diese kommen dann in einen Formenträger (Presse), wo sie mit dem Matrixmaterial Epoxidharz infiltriert und endgültig in Form gebracht werden. Dies geschieht mit Drücken von bis zu 90 bar, weshalb die Technologie den Namen High-Pressure Resin Transfer Molding (HP-RTM) trägt. Die Dosieranlage sowie der Formenträger bilden die wichtigsten Anlagenkomponenten für die Fertigung der Blattfeder. KraussMaffei ist hier in allen Bereichen führend, hat über 100 Maschinen im Markt und verfügt über das größte verfahrenstechnische Know-how. Es folgt die Nachbearbeitung durch Fräsen, bei dem man überstehendes Material abträgt.
"Blattfedern aus Composites sind bis zu 60 Prozent leichter als das bisherige Produkt aus Stahl. Die Festigkeit lässt sich gezielt dort verstärken wo erforderlich und die Korrosionsbeständigkeit liefert weiteren Mehrwert."Philipp Zimmermann, Leiter BU Composites/Surfaces bei KraussMaffei
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Als Faserverstärkung setzen Sie bei dem Demonstrator bewusst auf Glasfasern. Warum?
Fürst:
Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFRP) erweisen sich als der ideale Werkstoff für Blattfedern, denn sie kombinieren die hervorragende Dämpfungseigenschaften mit hoher mechanischer Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Darüber hinaus gibt es einen wirtschaftlichen Aspekt: Glasfaserverstärkte Kunststoffe sind deutlich kostengünstiger als carbonfaserverstärkte (CFK).
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Gibt es neben dem Gewicht und der Korrosionsbeständigkeit noch weiter Vorteile der Composites-Blattfeder?
Fürst:
Verfahrensbedingt sind wir sehr flexibel bei veränderten Geometrien oder Ausführungen – was im Hinblick auf den Variantenreichtum im Fahrzeugbau ein wichtiges Kriterium ist. Es braucht nur ein neues Werkzeug für die Presse und man kann sofort die andere Variante fertigen. Auch Sensoren und weitere Funktionalitäten lassen sich ohne Aufwand integrieren. Natürlich ist eine leichte Feder zudem viel einfacher zu montieren als eine schwere.
Zimmermann:
Durch die Gestaltung des Preforms kann man die GFK-Federn gezielt an den Stellen verstärken wo hohe Kräfte wirken, so dass die Federn insgesamt bis zu 75 Prozent weniger Platz benötigen als die Stahlvarianten. Dies ist vor allem im Hinblick auf die Elektromobilität interessant, wo möglichst viel Stauraum für Akkus zur Verfügung stehen soll. Wir sehen hier für alle Leichtbautechnologien ein großes Wachstumspotential.
"Verfahrensbedingt sind wir mit Blattfedern aus Composites sehr flexibel bei veränderten Geometrien oder Ausführungen – was im Hinblick auf den Variantenreichtum im Fahrzeugbau ein wichtiges Kriterium ist."Tobias Fürst, Executive Vice President Schmidt und Heinzmann
ahead:
KraussMaffei hat für das Projekt Blattfeder eine große Anzahl an Partnern koordiniert. Wie klappt das – und wie kommt man auf die Idee für so ein Vorhaben?
Zimmermann:
Wir wollten unserem Kunden HRC zeigen, was möglich ist. Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten lief hervorragend. KraussMaffei übernahm die Projektleitung und so konnte sich jeder der Spezialisten auf seinen Bereich konzentrieren, etwa das Design des Bauteils (Engenuity), die Herstellung der Matrix (Huntsman), der Fasergelege (Johns Manville), der Preforms (Schmidt & Heinzmann) oder des Werkzeugs (Alpex) sowie die Nachbearbeitung (Hufschmied). HRC hatte nur einen Ansprechpartner – ganz im Sinne von one face to the customer. Ein großes Dankeschön von unserer Seite geht an unsere Partner für die professionelle, tolle Zusammenarbeit.
Kontakt
philipp.zimmermann@kraussmaffei.com
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