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Familiensache
| Petra Rehmet
Zwei Schweizer Firmen beherrschen gemeinsam den internationalen Markt für Aromaschutzventile
Sie sitzen in der Schweiz nur 600 m Luftlinie voneinander entfernt und sind in jeder Hinsicht eng verbunden: Die Michel Werkzeugbau AG und die Wipf AG. Gemeinsam liefern sie Aromaschutzventile für den internationalen Markt. Für dieses und andere Projekte hat Michel seit 2019 in 13 neue KraussMaffei-Maschinen (12 vollelektrische PX und 1 hydraulische CX), investiert.
Sie sind die Helfer, wenn Kaffeebohnen, Hefeteig oder andere ausgasende Lebensmittel transportiert werden sollen: Aromaschutzventile, die Gas aus der Verpackung heraus, aber keinen Sauerstoff hinein lassen. Letzterer würde zur Oxidation und zum Verderb der Waren führen. Etwa zwei Zentimeter im Durchmesser groß, sind die Ventile optisch unscheinbar und man würde nicht vermuten, wie anspruchsvoll ihre Fertigung ist. Es braucht dafür aber tatsächlich die berühmte Schweizer Präzision und zwei eng verflochtene Unternehmen.
Michel Werkzeugbau ist Teil der Wipf-Gruppe und sehr viel mehr als „nur“ ein Werkzeugbauer, denn inzwischen laufen hier 22 Spritzgießmaschinen. Als Reto Michel den Betrieb 2019 an seinen guten Kunden Wipf verkaufte, geschah dies einerseits um die Nachfolge zu sichern und andererseits, um weiteres Wachstum zu ermöglichen. Beide Firmen sind familiengeprägt und passten deshalb perfekt zueinander.
Fast schon familiär ist auch das Verhältnis zwischen Timo Brugger (CEO bei Michel) Alexander Furrer (COO bei Michel Werkzeugbau) und ihrem Ansprechpartner bei KraussMaffei Michael Furlan (Vertrieb Schweiz).
Wir sind mit den Maschinen und dem Service von KraussMaffei sehr, sehr zufrieden. Dadurch ist ein großes Vertrauensverhältnis entstanden.Timo Brugger
CEO Michel Werkzeugbau AG
Damit lassen sich Dinge auch mal auf kurzem Dienstweg und ohne große Formalitäten erledigen – was sich an 13 gelieferten Maschinen innerhalb von drei Jahren zeigt.
Millionen von Aromaschutzventilen pro Jahr
Für die Aromaschutzventile entstehen bei Michel der Grundkörper und der Membranhalter aus PE oder PP mit Toleranzen von 6/100 Millimetern und Wipf übernimmt die Montage der Rohteile. Zunächst wird das Dichtmedium eingebracht, dann die Membran eingelegt und schließlich mit dem Membranhalter fixiert. Mehrere hundert Millionen Aromaschutzventile pro Jahr liefert Wipf auf diese Weise an internationale Kunden und ist damit die Nummer zwei auf dem Weltmarkt.
Ein Beweis für die besonders hohe Qualität ist die Drei-Jahres-Dichtigkeits-Garantie, die es auf die Ventile gibt. Diese funktionieren übrigens auch bei Luftdruckänderungen, etwa wenn Ware im Frachtraum eines Flugzeugs transportiert wird. Die Pandemie wirkte durchaus positiv auf den Absatz aus, vielleicht weil im Home Office mehr kleine Kaffeepackungen als große, wie in der Gastronomie üblich, verbraucht wurden. Auch Backteige wurden deutlich häufiger nachgefragt.
Starkes Wachstum und Expansion
Das starke Wachstum im Maschinenpark von Michel spielte sich vor allem seit dem Umzug 2020 ab. Man hatte zunächst ein neues Gelände gesucht, auf dem es im Gegensatz zum alten Standort möglich sein würde zu expandieren, und mit sieben neuen Spritzgießmaschinen von KraussMaffei startete die Produktion in Nänikon (unweit Zürich).
Die vorher bereits vorhandenen zehn Spritzgießmaschinen zogen ebenfalls in den Neubau ein und 2021 folgte der Werkzeugbau. Auch beim Umzug hat der Kundendienst der KraussMaffei (Schweiz) AG tatkräftig unterstützt und so die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgebaut. Von Wipf wurde zusätzlich die Abteilung Aromaschutzventile nach Nänikon verlagert, so dass sich hier nun ein richtiges Kompetenzzentrum befindet. Auch Timo Brugger (vormals Wipf) kam so zu Michel.
Gemeinsam betreut die Firmen die rund 20 verschiedenen Ventiltypen, die aus vier Grundkörperfamilien mit jeweils vier bis fünf Unterausführungen bestehen. 95 Prozent der Artikel gehen an Endkunden, sprich Kaffeeröster oder Lebensmittelhersteller, die sie dann in ihre Folienverpackungen einsiegeln. Die kleinste Bestellmenge ist dabei 10.000 Stück, doch für Nischenprodukte liefert Wipf auch die komplette Verpackung aus Folienbeutel und integriertem Ventil in geringeren Auflagen.
Michel Werkzeugbau fertigt alle Spritzgießteile, die Wipf benötigt und deckt damit etwa 60 Prozent seines eigenen Umsatzes ab. Hinzu kommen hochpräzise technische Teile etwa für die Haustechnik- und Sanitärbranche. Bei kleinen Zahnrädern gilt es Toleranzen von 3/100 Millimetern einzuhalten. Auch dafür sind seit dem Umzug vier weitere PX-Maschinen in Betrieb gegangen – zwei weitere folgen im 2023. Die vorhandenen Schließkräfte reichen nun von 300 bis 1.200 kN. Alle PX Maschinen verfügen über verbreiterte Holmabstände und größere Aufspannplatten damit Werkzeuge mit bis zu 36 Kavitäten darauf Platz haben.
Schnelle Zykluszeiten und Produktion 24/7
Bei einer Fertigung in der lohnkostenintensiven Schweiz ist es unerlässlich, dass die Anlagen an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr laufen. Die Tagesschicht ist von 7 bis 17 Uhr anwesend, danach übernehmen die „Geister“. Die preissensible Verpackungsbranche braucht bekanntermaßen schnelle Zykluszeiten – und eben personaleffiziente Fertigung. Michel beschäftigt insgesamt 20 Mitarbeiter und betreibt 21, bald 23, Spritzgießmaschinen.
Für uns ist die hohe Wiederholgenauigkeit, der Output und die Zuverlässigkeit der PX entscheidend, weil wir dadurch mit unserem Produkt konkurrenzfähig sind. Es haben andere Anbieter versucht, billiger zu fertigen, aber dann doch die Qualität nicht erreicht.Alexander Furrer
COO Michel Werkzeugbau AG
Die Zusammenarbeit von Michel und KraussMaffei reicht bis um den Jahrtausendwechsel zurück. Einige der hydraulischen Maschinen von damals funktionieren nach wie vor zuverlässig.
Inzwischen setzt Michel aber konsequent auf vollelektrisch, vor allem weil es sich um Anwendungen für die Lebensmittelbranche handelt. Zudem sind die PX geräuschärmer und verbrauchen weniger Energie und Öl. Dieses Thema ist aktuell besonders wichtig, denn Timo Brugger rechnet hier mit Aufschlägen von bis zu 40 Prozent.
Michel bezieht seinen Strom vom freien Markt und hat aktuell einen laufenden Vertrag. Über die nächsten zwei Jahres muss der aber neu verhandelt werden, weshalb es gut ist, wenn die Maschinen so energiesparend wie möglich laufen.
Dafür, dass die familiäre Zusammenarbeit zwischen Michel, Wipf und KraussMaffei weiterhin erfolgreich bleibt, ziehen alle an einem Strang. Und beweisen damit, dass man mit einer Fertigung im vergleichsweise „teuren“ Europa auch international bestehen kann.