
trendgineering
Im Luxusschlitten auf der Überholspur
| Petra Rehmet
Wie Osbra der Automotive-Krise trotzt – auch mit Hilfe von KraussMaffei
Sie ist bei Wüsten-Rallyes unterwegs, als Papamobil und in Krisengebieten: die Mercedes G-Klasse. Als schicke AMG-Version findet man den seit 1979 produzierten Geländewagen sogar bei Hollywoodstars und Scheichs. Stoßstangen, Radverbreiterungen und mehr dafür kommen von der Osbra GmbH, die ihren OEM-Kunden sowohl Spritzgießfertigung als auch Reaktionstechnik bietet – jeweils mit Anlagen von KraussMaffei. Die nächste Produktionserweiterung zeichnet sich schon ab.
Ab wann lohnt sich der Spritzguss und wann setzt man besser auf Bauteile aus Polyurethan (PUR)? Für Siegfried Richter, Geschäftsführer bei Osbra, ist diese Frage alltäglich, denn er kann seinen Kunden beides zur Verfügung stellen.
Abgesehen von der Bauteilgeometrie und dem Einsatzzweck, spielt bei der Entscheidung die Stückzahl eine große Rolle. Für jährlich 40.000 Fahrzeuge der Mercedes G-Klasse rechnen sich natürlich die höheren Anfangsinvestitionen für den Spritzguss.
Aber wie sieht es bei Aston Martin mit seinen rund 2.000 Stück für das „Volumenmodell“ DBX aus? Hier könnte man den höheren Bauteilpreis der PUR-Variante in Kauf nehmen, der durch längere Prozesszeiten sowie zusätzlichen Hand- und Nacharbeiten entsteht.
Dafür sind die Kosten von Werkzeug und Formenträger erheblich niedriger. Oft bietet es sich auch an, groß dimensionierte Artikel oder solche mit deutlichen Wandstärkensprüngen aus PUR zu fertigen, kleine Anbauteile dagegen im Spritzguss – und so die Stärken beider Verfahren zu kombinieren.
Nachhaltiges Wachstum
Erstaunlicherweise hat Siegfried Richter festgestellt, dass Jungingenieure im Polyurethanbereich kaum mehr ausgebildet sind, was das Erfahrungswissen von Osbra noch wertvoller macht.
Das Unternehmen aus Bad Wörishofen hat sich im Bereich hochpreisiger Fahrzeuge zum Top-Partner der OEMs entwickelt, weil es den Materialspagat ermöglicht und komplette Baugruppen direkt ans Band liefert.
Damit behauptet es sich in einer spannenden Nische und wächst trotz der allgemeinen Branchensituation nachhaltig. 1981 als reiner Werkzeugbau gegründet, eroberte Osbra zunächst die Polyurethanverarbeitung und ab 2017 den Spritzguss.
Wir hatten mit den PUR-Anlagen so gute Erfahrungen gemacht und haben uns bei den Spritzgießmaschinen deshalb ebenfalls für KraussMaffei entschieden. Durch die räumliche Nähe ist die Zusammenarbeit sehr einfach, und wir sind wirklich zufrieden mit der Betreuung und dem Service.Siegfried Richter
Geschäftsführer Osbra GmbH
2023 wurde ein neues, topmodernes Werk mit 16.400 Quadratmetern Fläche bezogen, in dem fünf Spritzgießmaschinen mit Schließkräften von 1.600 kN (eine vollelektrische PX) bis 14.500 kN (Modell MX) und 13 Formenträger (Schließkraft bis 5.000 kN, Bauteilgewicht bis 12 Kilogramm) aktiv sind.
Mit ihnen bietet Osbra Kunden wie Mercedes-AMG, Porsche, BMW Alpina, Aston Martin oder Maybach eine große Fertigungstiefe, die neben Entwicklung, Muster- und Werkzeugbau sowie Teileproduktion auch nachgelagerte Prozesse wie Prüfungen umfasst.

Blick in die Fertigung: Mit Spritzgießmaschinen von KraussMaffei im Schließkraftbereich von 1.600 bis 14.500 kN bietet Osbra namhaften Kunden wie Mercedes-AMG, Porsche, BMW, Aston Martin und Maybach eine große Fertigungstiefe.

Premium-Stoßfänger für die G-Klasse
So entsteht etwa für die G-Klasse der komplett lackierte Stoßfänger (2,8 Kilogramm Schussgewicht, Material Polyproylen) mit integrierten PDC-Sensoren (Park Distance Control). Beim Kühlergrill desselben Modells fallen zwei Abdeckungen sowie Chromakzente ins Auge, die in drei verschiedenen Farbvarianten heißgeprägt werden.
Die kompletten Baugruppen, inklusive Elektronikkomponenten und Verkabelung, verlassen das Werk als sogenanntes ZB-Bauteil, also fertig für den Zusammenbau des Fahrzeugs.

Von Stoßfänger bis Dachhimmel: Osbra produziert und veredelt unterschiedlichste Bauteile für Exterieur- und Interieuranwendungen.

Edles für Exterieur und Interieur
Neben Stoßfängern und Kühlergrills gehören Heck- und Frontspoiler, Radverbreiterungen oder Seitenschweller zu den typischen Osbra-Artikeln im Exterieur-Bereich. Aber auch im Innenraum spielt das Unternehmen seine Kompetenzen aus und veredelt beispielsweise Mittelkonsolen oder Dachhimmel.
Dafür verarbeitet man sogar Textilien und Teppich. Mit rund 400 Mitarbeitern an vier Standorten erzielt Osbra einen Umsatz von über 80 Millionen Euro im Jahr.
Weil es bei den exklusiven Produktserien der Automarken immer darum geht, den Luxusfaktor noch ein bisschen zu steigern, werden auch höhere Kosten in Kauf genommen. So war die AMG-G-Klasse, für die Osbra seit 30 Jahren arbeitet, bisher schon in 44 Serienfarben erhältlich.
Ganz neu wird sie aber auch individuell in „Krawattenfarben“ zu bekommen sein, was für Osbra Losgröße 1 bei der Farbgebung bedeutet. Dafür leistet sich der G-Klasse-Produzent Magna Steyr in Graz allerdings auch eine Lieferzeit von zwei oder mehr Jahren sowie eine sehr restriktive Vertriebspolitik.

Luxus in Farbe: Die Mercedes G-Klasse in Orange – ein Statement auf vier Rädern, veredelt mit Osbra-Komponenten für außen und innen.

Bei Magna Steyr in Graz der Hersteller der G-Klasse Lieferzeiten von zwei Jahren oder mehr für solche Sonderanfertigungen und verfolgt eine strenge Verkaufspolitik.
Viel Glück hatte da ein Scheich, an dessen Auftrag sich Siegfried Richter erinnert: „Er hat zu seinem 50. Geburtstag 50 G-Klassen bestellt, von denen er 49 an seine Familie verschenkt und eine behalten hat.“ Bei einem Stückpreis von rund 250.000 Euro war das kein Schnäppchen.
Top-Qualität dank Top-Ausstattung
Wer seinen Kunden Top-Qualität bietet, legt meist auch selbst Wert darauf. Die fünf Spritzgießmaschinen von KraussMaffei verfügen deshalb über ein hohes Ausstattungsniveau, beginnend bei den Magnetaufspannplatten, mit denen sich die Rüstzeit beim Werkzeugwechsel deutlich reduzieren lässt.
Eine der zwei vollelektrischen PX weist verbreiterte Platten auf (PX 161) und in einer MX 1.300 dreht sich eine hochverschleißfeste Schnecke.
Alle Maschinen nutzen LRX-Linearroboter und das komplette socialProduction-Paket von KraussMaffei, das digitale Lösungen zur Produktions-, Prozess- und Service-Steuerung umfasst.
So liefert productionMonitor einen schnellen Überblick über den Maschinenpark und seine effiziente Auslastung, während processSupport den Produktionsprozess durch ein selbstlernendes Verfahren kontinuierlich überwacht.
liveCare wiederum behält den Verschleißzustand von Maschinenkomponenten im Blick und ermöglicht die proaktive Wartung.

Eingespieltes Team von Osbra und KraussMaffei: Florian Eilhardt, Raphael Mangold, Wolfgang Rössler, Siegfried Richter, Ralf Böhm, Martin Miezek, Halil Ibrahim Altinkaya, Benjamin Miller und Stefan Betzing (v.l.)

Optionale Gasinjektion und chemisches Schäumen
Das Spritzgießen mittels Gasinjektion ist ebenso möglich wie chemisches Schäumen. Für häufige Formenwechsel, wie sie bei kleinen Serien nun einmal vorkommen, ist auch die Maschinenfunktion APCplus besonders interessant.
Sie passt anhand der Schmelzeviskosität den Umschaltpunkt von Schuss zu Schuss an und erzeugt schon ab dem Anfahren gewichtskonstante Bauteile.
Das neue Werksgebäude ist mit seiner dachfüllenden Photovoltaikanlage, die bis zu 100 Prozent des Eigenbedarfs deckt, zukunftsorientiert. In Büros und Fertigung gibt es Fußbodenheizung, die im Sommer auch zur Kühlung verwendet werden kann.
Zusammen mit hochwertiger Isolierung, Wärmerückgewinnung und Wärmepumpen erreicht Osbra eine Energieeinsparung von 60% gegenüber vergleichbaren konventionellen Industriebauten.
G-Klasse als Elektrovariante
So innovativ wie bei seinem Produktionswerk ist Osbra, wenn es um neue Projekte geht. Seit 2024 ist die G-Klasse erstmals als rein elektrisches Fahrzeug bestellbar.
Schon rein optisch sollte sich diese Version von den bisherigen abheben. Neben einem neu gestalteten LED-beleuchteten Kühlergrill, schuf man auch eine zweiteilige Stauraumbox, die an der Hecktür dort sitzt, wo bisher das Reserverad seinen Platz finden konnte.
In der Box ist das Ladekabel praktisch verstaut, der Fahrer kann sie vom Sitz aus ver- und entriegeln. Die dafür verbauten Elektronikkomponenten bedeuten, dass die Box absolut regendicht sein und die üblichen Klimawechseltests verzugsfrei bestehen musste.
Die Entwicklung erwies sich als anspruchsvoll, aber sie gelang als Teamarbeit zwischen Mercedes und Osbra.

In Zweifarben-Optik: Die smarte Stauraumbox der vollelektrischen Mercedes G-Klasse verstaut das Ladekabel sicher und ist dank integrierter Elektronik regendicht sowie klimabeständig.

Weitere spannende Projekte sind bereits in Planung. Für eines davon wird es nötig sein, die Fertigung in Bad Wörishofen um eine zusätzliche Halle mit großem Formenträger und zwei Polyurethananlagen zu erweitern.
Das Grundstück dafür hat Osbra bereits gekauft: „Und das Angebot von KraussMaffei haben wir schon im Haus.“