Prozesse & Produkte
"Reinheit und Sauberkeit stehen in der Diagnostik immer an oberster Stelle“
| KraussMaffei
Interview mit Wolfgang Zangerle, Leiter Business Development NETSTAL
Die Herstellung von Disposables für die medizinische Diagnostik gehört zu den Königsdisziplinen des Spritzgießens. In ahead-Interview spricht Wolfgang Zangerle, Leiter Business Development NETSTAL, über die besondere Herausforderung bei der Herstellung von diesen Einwegartikeln und die Entwicklungen der letzten Jahre.
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Im Zusammenhang mit dem Coronavirus wird derzeit viel über das Testen gesprochen. Unabhängig von der Erkrankung COVID-19, für die es heute noch keine spezielle Therapie gibt, wie steht im medizinischen Sektor die Krankheitserkennung im Verhältnis zur Behandlung?
Wolfgang Zangerle
Im medizinischen Bereich ist heute die Diagnostik nicht mehr wegzudenken. Was soll man behandeln, wenn man nichts analysieren kann? Hier sind wir mit unseren Produkten bei führenden Herstellern dabei in der Herstellung von beispielsweise Blutröhrchen, Pipettenspitzen, Vials, Tubes und Plates. Und diese Produkte, sogenannte Disposables, sind heute aus Kunststoff und eben Einwegartikel, die höchsten Anforderungen genügen müssen. Auch die Disposables für den neuen Coronavirus-Schnelltest von Roche laufen derzeit bei zwei Kunden auf NETSTAL-Maschinen.
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Welche Anforderungen stehen in diesem anspruchsvollen Bereich neben einer hohen Produktivität im Vordergrund?
Zangerle
Reinheit und Sauberkeit stehen in der Diagnostik immer an oberster Stelle. So müssen die Artikel absolut frei von RNA und DNA sein, wenn diese in genetischen Untersuchungen, wie zum Beispiel PCR (=polymerase chain reaction) für das Coronavirus, zum Einsatz kommen. Für uns bedeutet dies, dass wir sicherstellen müssen, dass die Maschine beziehungsweise die gesamte Anlage sehr leicht zu reinigen ist. Alle Oberflächen müssen so beschaffen sein, dass keimbildende Einheiten eingedämmt werden können, dabei muss auch die Auswahl der benützten Materialien inert sein. Ein Nichtbeachten dieser Punkte kann das Disposable kontaminieren und in letzter Konsequenz zu einem verfälschten verzögerten Messergebnis, oder noch schlimmer einer falschen Behandlung des Patienten führen.
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Was hat sich im Feld der Diagnostik in den letzten Jahren getan und haben sich dadurch die Anforderungen an die Spritzgießmaschine verändert?
Zangerle
Analytische Disposables werden immer kleiner, da mit den heutigen Testmethoden nur noch geringe Probenmengen benötigt werden. Dies heißt wir müssen Maschinen bauen die einerseits höchste Präzision erbringen und andererseits genügend Leistung zur Verfügung stellen, um die zum Teil immer dünner werdenden Produkte noch kontrolliert spritzgießen zu können. Und das dann in großen Mengen mit Null-Fehler-Vorgabe. Ein klassisches Feld für unsere NETSTAL ELION Baureihe, die genau diese Anforderungen abdeckt.
ahead
Für den Laien sehen die kleinen und oftmals transparenten Teile aus Kunststoff relativ unkompliziert aus. Was ist die spezielle Herausforderung in der Produktion dieser massenhaft benötigten Artikel?
Zangerle
Die perfekte Verarbeitung der heutigen Medical Grade Polymere ist essenziell für die absolut zuverlässige Funktion von Disposables. So müssen und können wir als Maschinenbauer Plastifizierungen anbieten, welche minimalste Belastung des Polymers (Materialdegradation) bei maximaler Homogenisierung ermöglichen. Ein Beispiel ist gerade im PCR-Analyseverfahren die optische Auswertung der Lichtemission, welche durch das Disposable und die hochdotierte Lyse geht, entscheidend für ein exaktes Resultat. Ohne perfekte Homogenisierung, Dispergierung und Verhinderung von Materialabbau wäre dies nicht möglich.